Die chemische Zusammensetzung einzelner Vertreter solcher Materialklassen ist allerdings, wenn auch nur in groben Zügen, bekannt. Wenn nun sowohl die (universellen) mechanischen Eigenschaften der chemischen Grundbausteine als auch (universelle!) mechanische Interaktionsmuster auf verschiedenen Beobachtungsmassstäben bekannt wären, könnte man die (individuelle) chemische Zusammensetzung in (individuelle) mechanische Eigenschaften übersetzen.
Im Rahmen der Kontinuumsmikromechanik, einer seit den 1960er Jahren durch Hill, Willis, Zaoui und anderen entwickelten Wissenschaft, die die mechanische Interaktion von (approximativ homogenen) Materialphasen in einem repräsentativen Materialvolumenelement in geschlossenen (semi-)analytischen tensoriellen Ausdrücken erfasst, konnte der Vortragende, in Kooperation mit Kollegen von ENPC, M.I.T. und TU Wien, durch gezielte Auswertung (Verwendung statistisch wie physikalisch unabhängiger Datensätze im Sinne von Karl Popper) grosser experimenteller Datenmengen betreffend chemische Zusammensetzung und mechanische Eigenschaften, tatsächlich elastische universelle Bausteine und Interaktionsmuster identifizieren.
So sind die Knochen aller Wirbeltiere auf dem Niveau einiger Mikrometer durch Kollagenstränge verstärkte Hydroxyapatitschäume, die im Beobachtungsmasstab von einigen hundert Mikrometern von länglichen Poren perforiert werden. Kenntnis gewebsspezifischer Wasser-, Kollagen-, und Mineralgehalte (z.B. auf Basis von Knochendichtemessungen) erlaubt die Prognose der gewebsspezifischen (inhomogenen und anisotropen) Elastizitätseigenschaften. Diese sind von grossem Interesse, z.B. für Knochenkrankheitsdiagnosen- oder -therapien sind. Mit derselben Strategie lässt sich die Elastizität von Holz aller Baumarten durch Mehrschritthomogenisierungsverfahren, bei dem Zellulosefasern auf dem Nivau einiger Mikrometer eine Polymermatrix (bestehend grossteils aus Lignin) verstärken, welche (im Milimetermassstab als 'Zellwand' definiert) ebenfalls von Poren durchdrungen wird, vorhersagen. Die obengannte Strategie ist auch auf Transportprozesse anwendbar, wie anhand der Chloriddurchlässigkeit von Zementpasten (wichtig für die Erhaltung von Brücken und Hafenanlagen) gezeigt werden kann. Die Diffusionsgeschwindigkeit der Ionen in den Kapillarporen der Zementpasten wird interessanterweise durch die elektrischen Ladungen der Porwände bestimmt, ein Phänomen, das auch von diversen biologischen Geweben bekannt ist.
Zeit: | Freitag, 25. Februar 2005, 14.15 Uhr (Kaffee/Tee um 15.30) |
Ort: | FU Berlin, Arnimallee 2-6, Raum 032 im EG |